Jüngere Steinzeit in Pommern (3000 bis 2000 vor Chr.).

Die Träger der nordischen Kultur besetzten von Dänemark aus Rügen und Vorpommern, drangen längs der Küste bis Hinterpommern und südöstlich durch die Uckermark bis in den heutigen Kreis Pyritz vor und trafen hier auf Siedler der Donaukultur, deren Spuren auch in anderen Teilen Pommerns festzustellen sind. Gegen Ende der Steinzeit breitete sich die in Mittelpommern heimisch gewordene Kultur der Oberschnurkeramiker weiter nach Osten aus.

Pommern tritt in das Licht der Geschichte.

Als am Ende der Eiszeit die deutschen Ostseeküsten vom Gletschereise freigeworden waren, folgte dem nach Norden abziehenden Renntier der Renntierjäger, der damit der erste Bewohner der heutigen pommerschen Scholle wurde. Mit zunehmender Verbesserung der klimatischen Lebensbedingungen begannen die Menschen, die zunächst stammweise umherschweifend der Nahrungssuche nachgegangen waren, seßhafter zu werden; sie fingen an, regelmäßig Ackerbau und Viehzucht zu treiben, und bedienten sich dabei steinerner Waffen und Geräte. Zahlreiche Bodenfunde lassen ziemlich deutlich erkennen, wie diese Menschen des steinzeitlichen nordischen Kulturkreises gelebt haben. Durch ihre Verschmelzung mit dem von Mitteldeutschland sich ausbreitenden Volk der nach bestimmten Merkmalen ihrer Töpferware genannten "Schnurkeramiker" entstand in Nordwestdeutschland und Dänemark das G e r m a n e n t u m, während sich im heutigen Mittel- und Hinterpommern die Kultur der sogenannten Oderschnurkeramik herausbildete, die den Boden für die spätere Germanisierung des Landes vorbereitete.


Bronzezeit (2000 bis 500 vor Chr.)

Aus Vorpommern, das zum "urgermanischen" Gebiet gehört, drangen in der mittleren und jüngeren Bronzezeit die Germanen in zwei Keilen nach Osten vor: längs der Küste bis zur Weichselmündung, und durch die Uckermark nach Mittelpommern. Um 1000 vor Chr. saßen an der unteren Oder, teilweise in festen Burgen, die nördlichen Vorposten der Lausitzer Kultur. Gleichzeitig bildete sich im Weichselmündungsgebiet die früh-ostgermanische Kultur, die die westgermanische bis hinter die Rega zurückdrängte.

Nach Einführung der Bronze, deren Bestandteile (Kupfer und Zinn) von weither herbeigeschaft werden mußten, breiteten sich die Germanen nach und nach über den größten Teil Ostdeutschlands aus. Sie bezogen damals ihre Vorpostenstellung am Ostrande des nordischen Siedlungsraumes und haben seitdem nie aufgehört, als Bollwerk gegen das andrängende Slaventum eine für Europa entscheidende Rolle zu spielen. Die für diese Zeit immer zahlreicher werdenden Funde beweisen, daß die Bronzezeit eine ausgesprochen reiche und ziemlich hoch entwickelte Kulturstufe war, die durch einen regen Handelsverkehr mit den Nachbarvölkern gekennzeichnet ist (Bernsteinhandel). Mit großer Kunstfertigkeit wurden Waffen, Gebrauchs- und Schmuckgegenstände gefertigt. Unzählige aufgedeckte Grabstätten künden von ehrwürdigen Kultgebräuchen, als deren eigenartigster uns die in Ostpommern üblich gewesene Verwendung von Aschenurnen in Haus- und Gesichtsform erscheint.
Die durch kriegerische Verwicklungen in West- und Mitteleuropa hervorgerufene Sperrung der Bronzezufuhr im Anfang des 1. Jahrtausends beendete jäh diesen Kulturabschnitt.


Großsteingrab bei Lonvitz (Rügen).
Die Menschen der jüngeren Steinzeit (zweite Hälfte des 3. Jahrtausends vor Chr.) errichteten ihren Toten mächtige Steinkammern, die warscheinlich einst von Erdhügeln bedeckt gewesen sind. Im Schmuck ihrer Waffen, umgeben von Gebrauchsgerät und Opfergaben, wurden die Verstorbenen hier beigesetzt.

Als Ersatz für die Bronze kam aber rechtzeitig das Eisen in Gebrauch und gab die Grundlage für eine neue Kultur, die nicht, wie die der Bronzezeit, vorwiegend auf friedliches Wachstum, sondern auf Kampf und Selbstbehauptung abgestellt war. Denn um diese Zeit begannen die germanischen Stämme an der Ostsee, von denen uns Goten, Rugier, Lemovier, Burgunden, Sueben u. a. durch geschichtliche Nachrichten besonders überliefert sind, in Bewegung zu geraten, vielleicht veranlaßt durch eine plötzlich eingetretene Klimaverschlechterung. ln den ersten nachchristlichen Jahrhunderten dann, als schon längst die Römer Kunde von diesen Gebieten hatten, setzte jene große Wanderung ein, die wir unter dem Namen der V ö l k e r w a n d e r u n g kennen. Getrieben von Sehnsucht nach der helleren Welt des Südens verließ die eingesessene germanische Bevölkerung des heutigen Pommern damals allmählich ilhre bisherige Heimat und ergoß sich in die süd- und westeuropäischen Länder, ja bis nach Nordafrika. Leerer Siedlungsraum blieb zurück, den nachdrängende slavische Völker nach und nach bis zur Elbe und Saale erfüllten.
So war etwa zu Anfang des 8. Jahrhunderts nach Chr. das "Land am Meer" (wendisch Po morje, woraus der heutige Name Pommern wurde) von W e n d e n besetzt, und zwar wohnten links der Oder die Wilzen oder Liutizen, die Obotriten u. a., auf Rügen die Ranen, rechts der Oder die den Polen verwandten, aber volkstumsmäßig deutlich von ihnen zu unterscheidenden Pomoranen und die Kaschuben.


Gesichtsurnen aus Steinkistengräbern des Kreises Lauenburg.
Die Sitte, den Leichenbrand in Tonurnen beizusetzen, deren Hals zu menschlichen Gesichtern ausgestaltet war, was in der Bronzezeit besonders in Hinterpommern verbreitet. -
Aus dem pommerschen Landesmuseum.

Geschichtliche Nachrichten liegen über diese slavischen Stämme, wenn auch nur vereinzelt, erst seit etwa 800 vor; aber zahlreiche Bodenfunde und eine große Menge wendischer Orts- und Flurnamen zeugen von ihrem dasein. Die Deutung dieser Namensreste bereitet allerdings manche Schwierigkeiten; es gibt sogar Fälle, bei denen nicht einmal sicher feststeht, ob es sich um wendische oder um ältere germanische Namen handelt.


Eisenzeit (seit 500 vor Chr.)
Um 150 vor Chr. wurden Vorpommern und Rügen von einen aus dem westlichen Mecklenburg kommenden nordsuebischen Stamm besetzt, dessen Kultureinfluß bis nach Hinterpommern reichte.  Von Bornholm aus besetzten die Burgunder das Gebiet zwischen Oder und Persante; Goten aus Mittelschweden eroberten das Weichselmündungsgebiet und verbreiteten sich von dort nach Ostpommern. Vom 2. bis 6. Jahrhundert nach Chr. wanderten die pommerschen Germanenstämme nach Süden ab; ihr entvölkertes Siedlungsgebiet wurde allmählich von den slawischen Wenden eingenommen, doch mehrfach auch von den nordgermanischen Wikingern berührt.

Das gleiche gilt von den zahlreich erhaltenen Burgwällen, die meist aus wendischer Zeit stammen, nur in Einzelfällen älter sind. Sie dienten ursprünglich als Fluchtburgen, entwickelten sich aber allmählich zum teil zu Tempelburgen (z. B. Arkona) oder Edelsitzen, wo wendische Häuptlinge, von denen einige zeitweise eine erhebliche innerpolitische Bedeutung gewannen, ihren Sitz hatten. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Wendenvolk auf einer weniger entwickelten Kulturstufe lebte, wie auch die Funde beweisen. Man trieb Handel, Viehzucht, Fischerei und Ackerbau, aber in einer gegenüber den Verhältnissen bei den bronze- und eisenzeitlichen Germanen ziemlich primitiven Weise.


Waffengruppe der Eisenzeit.
Lanzenspitze, Schildbuckel, Fibel und ein zusammengebogenes Schwert - zusammengebogen deshalb, weil es den abgeschiedenen Krieger nach germanischem Glauben nur in zerstörtem Zustande begleiten konnte. -
Aus dem Pommerschen Landesmuseum.

Reichte also die wendische Kultur an die der germanischen Vorgänger und auch an die der benachbarten westlichen Völker nicht im entferntesten heran, so konnten vielleicht gerade deshalb die Wenden ihr neu erworbenes Siedlungsgebiet in den bewegten Jahrhunderten des frühen Mittelalters doch zäh verteidigen. Schon Karl der Große war im Laufe der Sachsenkriege in Berührung mit den slavischen Völkerschaften rechts der Elbe gekommen, zumal mit den Obotriten und Wilzen, deren Unabhängigkeit er indessen nicht zu erschüttern vermochte. Auch den Bemühungen Heinrichs I. und Ottos I. um Sicherung und Hinausschiebung der Ostgrenzen war nach wechselvollen Kämpfen kein dauernder Erfolg beschieden, denn was bis dahin auf vorpommerschem Boden erreicht worden war, ging im großen Slavenaufstand von 983 wieder zugrunde.

Erfolgreicher als die Deutschen drangen von Norden her W i k i n g e r und D ä n e n gegen die Wenden vor, die damals anfingen, zu Handels- und Raubzwecken Schiffahrt zu treiben. An verschiedenen Plätzen der pommerschen Küste tauchten die Wikinger auf, so besonders um 950 in der reichen Slavenstadt Jumne, dem heutigen Wollin. Auf Jumne bezieht sich auch wohl die Jomswikingersaga, die von dem Bau der festen Jomsburg berichtet und von dem hier entstandenen wikingischen Ritterstaat. Es entwickelte sich in Jumne eine wendischwikingische Mischkultur, in der jedoch bald das wendische Element überwog, bis durch die Dänenzerstörungen des 11. Jahrhunderts die kurze Blüte der damals weitberühmten Handelsstadt ein schnelles Ende nahm. Völlig bedeutungslos wurde Jumne im 12. Jahrhundert; als sagenhaftes, von einer Sturmflut verschlungenes Vineta lebt es bis heute im Volk weiter. Heftig waren auch die Angriffe, die die P o 1 e n im 10. Jahrhundert gegen die Wenden richteten, um an die Ostsee zu gelangen. Sie stießen bis an die Küste vor und suchten hier ihre Herrschaft dadurch zu befestigen, daß sie in Salz-Kolberg im Jahre 1000 ein Bistum errichteten, das dem Erzbistum Gnesen unterstellt wurde. Doch ist zweifelhaft, ob das neue Bistum je wirklich ins Leben trat; keinesfalls war es lange von Bestand. Immerhin war der christliche Einfluß auf die heidnischen Wenden ziemlich nachhaltig, mochte auch das Volk im allgemeinen am alten Götterdienst festhalten. Die Macht der heidnischen Priesterschaft war jedenfalls, abgesehen von dem Schwer zugänglichen Rügen, stark erschüttert.

Die Bedrängung der Wenden von allen Seiten setzte sich im 12. Jahrhundert fort. Herzog Lothar von Sachsen ging gegen Vorpommern vor, die Dänen suchten die Küsten heim, und der Polenherzog Boleslaw machte die größten Anstrengungen, Ostpommern zu unterwerfen. Das Land wurde wiederholt furchtbar verwüstet und das feste stettin 1121 oder 1122 von den Polen erobert. Schließlich mußte der Pommernherzog Wartislaw, der damals eine Vormachtstellung im Lande rechts der Oder innegehabt zu haben Scheint, den Polenherzog als Oberherrn anerkennen und die Annahme des Christentums für sich und sein Volk versprechen.


Der Cordulaschrein.
Der Kamminer Domschatz besitzt als eins seiner kostbarsten Stücke diese Arbeit aus Elchgeweih, eins der hervorragenden Werke wikingischen Kunstfleißes aus Lund (um 1000 nach Chr.)