Die St. Marienkirche zu Rügenwalde in Pommern

Aus Rügenwalder Bau- und Kunstdenkmäler von Karl Rosenow


St. Marienkirche

Die Marienkirche erweist sich in ihren Formen al ein gotischer norddeutscher Backsteinbau, als eine dreischiffige Basilika mit polygonalem Chor und einem 60 Meter hohen Westturme aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts, die in ihrer Bauart große Ähnlichkeit mit den gleichnamigen Kirchen in Belgard, Köslin, Schlawe und Stolp zeigt. Fünfmal ist sie durch Feuersbrünste zerstört worden, so dass nur die durch Strebepfeiler verstärkten Außenmauern und der Turm in die älteste Zeit hinaufragen. An die Seiten des Turmes fügen sich in der Verlängerung der Seitenschiffe spätere mittelalterliche Anbauten an. Auch die Schüttenkapelle auf der Südseite und die Sakristei auf der Nordseite gehören noch dem Mittelalter an. Schöne Sterngewölbe überdecken Kirche und Anbauten: hohe Bogenfenster mit Glasmalereien lassen nur ein gedämpftes Licht hereinfallen. In Jahre 1897 wurde sie einer durchgreifenden Instandsetzung unterzogen. Die Malerei übernahm Professor Seeliger, der seine Aufgabe in musterhafter Weise löste.


Der Altar

Infolge dieser Renovierung bekam auch ein unschätzbares Kunstwerk aus der Renaissancezeit, unter dem Namen "Rügenwalder Silberaltar" in der Kunstgeschichte bekannt, einen neuen, der Betrachtung zugänglicheren Platz. Herzog Philipp II. gab dem "Goldschmied und Silbertreiber" Johannes Körver (Meisterzeichen J. K. F.) aus Braunschweig den Auftrag, ihm nach Kupferstichen von Hendrick Soltzius in Haarlem (1558-1617) die Passion Christi auf Silberplatten darzustellen. Soltzius lehnte sich in seinen Stichen an Dürers Große Passion an. Die Platten sind teils von Körver in Stettin selbst, teils von Caspar Lencker (Meisterzeichen Z. L. F) in Augsburg hergestellt. Acht Platten der Passion hatte Körver vollendet, als er 1607 starb. Der eigentliche Aufbau ist aus Ebenholz und zeigt geschmackvolle Barockformen. In diesem 3 Meter hohen und 1,50 Meter breiten Ebenholzrahmenwerk befinden sich 27 getriebene Silberplatten.


Gesamtansicht des Silberaltars

In der Mitte des Sockels sehen wir die Taufe Christi und an den Seiten die elf treuen Apostel und den triumphierenden Christus. Das Hauptfeld zeigt als Mittelstück die heiligen drei Könige, um die sich auf zwölf Tafeln die Passionsgeschichte gruppiert. Im Giebelansatz sehen wir himmlische Musik dargestellt; König David mit der Harfe und die heilige Cäcilie. Das Rahmenwerk hat Esias Hepp 1636 geschnitzt.

Ursprünglich war das Ganze in einem Flügelaltar eingefügt, der sich jetzt im Kreisheimatmuseum befindet. Die Flügel zeigen in fein ausgeführter Malerei auf der Innenseite die Jungfrau und die heilige Elisabeth, auf der Außenseite die Verkündigung und Geburt Christi und die vier Apostel. 1806 kam durch Kabinetts-Order der Silberaltar aus der Schlosskirche in die Marienkirche, wo er erst frei mit den Flügeln auf dem Voraltar stand; 1853 wurde er ohne Flügel dem Hochaltar eingefügt und 1897 erhielt er seinen gegenwärtigen Platz an der Seitenwand in einem Stahltresor. Das Hauptfeld des Hochaltars wird heute von einem von Professor Hansmann geschaffenen Gemälde "Christus stillt den Sturm" eingenommen. Das kleine Jesusgemälde im Giebelansatz stammt ebenso wie zwei Gemälde des jüngeren Cranach: Luther und Melanchthon darstellend, aus der Schlosskirche.

Hinter dem Hochaltar zeigt sich, durch ein kunstvolles, schmiedeeisernes Gitter abgeschlossen, die Fürstengruft von Rügenwalde. Ursprünglich eine enge schmale Gruft vor dem Altar, wurde sie 1888 auf Anregung Kaiser Friedrichs, der sich lebhaft für diese Sache interessierte, hinter den Altar verlegt. Die Fürstengruft enthält über der Erde drei Prunksärge für König Erich und die beiden Herzoginnen Elisabeth und Hedwig. Der Sarkophag aus französischen Kalkstein in der Mitte enthält die Gebeine des Unionskönigs und Pommernherzogs Erich I. und zeigt oben die kunstvoll gemeißelten Wappen von Schweden, Dänemark und Norwegen und den pommerschen Greif, umrahmt von einer lateinischen Umschrift. An den Seiten ruhen in Zinnsärgen die Herzogin Elisabeth, die Gemahlin des letzten Pommernherzogs, und Hedwig, Neustettins Wohltäterin, die Gemahlin des Herzogs Ulrich. Beide Särge sind Prachtstücke Zinngießerkunst, besonders derjenige der jenige der Herzogin Hedwig mit seinen Löwenfiguren.


Die Kanzel

Von den zahlreichen anderen Ausstattungsstücken seien hier nur angeführt erstens die Kanzel in reichem Barock, in Form einer hanseatischen Kogge mit ihrem Schalldeckel, der den Berg Golgatha mit den Leidensstationen darstellt. Zweitens davor eine schöne 24armige Messingkrone von 1629 mit einem Löwenkopf unten und einer bärtigen Figur oben. Drittens der Orgelprospekt im Renaissancestil.  Viertens die schön geschnitzten Eichengestühle aus dem 17. Jahrhundert und fünftens die mittelalterlichen Grabplatten in der Schüttenkapelle und im Turnanbau.

Aus: Rügenwalde an der Ostsee,
1929, S.15 f f.